21.10.2022 | „35 geht!“ – das sagen Stahlwerkerinnen und Stahlwerker, die es wissen müssen. Wir tragen Erfahrungen und Argumente aus anderen Bezirken zusammen. Zum Auftakt haben wir bei Holger Wachsmann, Erster Bevollmächtigter der IG Metall Ostbrandenburg, in Eisenhüttenstadt angerufen.
Seit wann gibt es bei ArcelorMittal Eisenhüttenstadt (früher: EKO Stahl) die 35-Stunden-Woche?
Holger Wachsmann: Wir haben „die 35“ bei vollem Lohn und ohne Kompensation in den 2000er Jahren erkämpft. Ausgangspunkt war ein Stufenplan von 2003. Nachdem bereits 2004 die Arbeitszeit auf 35 verkürzt wurde, sind wir bis 2009 schrittweise auf 1:1 der Entgelttabelle rauf. In der Finanzkrise sind wir dann mit dem Beschäftigungssicherungstarifvertrag auf 32 Stunden runter. Daraus ist danach eine attraktive Arbeitszeit-Wahloption entstanden, die heute etwa zwei Drittel der Belegschaft im 5-Schicht-System nutzen.
Warum ist die Arbeitszeitverkürzung gerade im Stahl so wichtig?
Das ist ein Riesenthema, denn wir müssen damit rechnen, lange arbeiten zu müssen. Die Arbeit und der Schichtbetrieb sind aber sehr belastend. Wenn wir gesund die Rente erreichen wollen, brauchen wir ausreichend Erholung und Freizeit. Das gilt vor allem für die älteren Kolleginnen und Kollegen! Auch für die junge Generation, die zurecht auf ihre Work-Life-Balance achtet, ist die Arbeitszeit sehr wichtig.
Was bedeutet das für Tarifverhandlungen?
Dass es auch im Stahl einen riesigen Personal- und Fachkräftemangel gibt, stärkt massiv die Position von Belegschaften und Gewerkschaften. Wir können selbstbewusst zu den Arbeitgebern sagen: Wenn ihr nicht wollt, dass die Leute weglaufen und danach keiner mehr kommt – dann müsst ihr uns entgegenkommen und etwas anbieten!
Interview: Horst Martin