IG Metall schließt trotz Corona Lohn-Nullrunde aus

16.12.2020 | Die Tarifgespräche für die Metall- und Elektroindustrie im Bezirk Mitte beginnen. Gewerkschafter Jörg Köhlinger hat sich viel vorgenommen.

Dieser Artikel ist am 16.012.2020 in der Saarbrücker Zeitung erschienen. Autor: Volker Meyer zu Tittingdorf

Saarbrücken (mzt) Jörg Köhlinger stimmt auf eine schwierige Tarifrunde ein. Am Donnerstag sitzt der Leiter des IG-Metall-Bezirks Mitte, zu dem neben dem Saarland auch Rheinland-Pfalz, Hessen und Thüringen gehören, für erste Gespräche am Verhandlungstisch. Er will für 420 000 Beschäftigte, davon rund 50 000 im Saarland, ein Paket von Forderungen durchsetzen: vier Prozent mehr Lohn, Beschäftigungssicherung und Zukunftstarifverträge, die Investitionen in den Betrieben und Qualifizierungsprogramme für Beschäftigte festschreiben.

„Wir sind mit der Situation konfrontiert, dass die Arbeitgeberseite von Nullrunden spricht und gleichzeitig den Abbau Tausender Arbeitsplätze ankündigt.“ So hatte der Arbeitgeberverband in Hessen, Hessenmetall, den Verlust von 10 000 Jobs in den kommenden sechs Monaten prognostiziert. Das eine wie das andere will Köhlinger nicht hinnehmen. Die Positionen liegen weit auseinander. „Es wird nichts zu verteilen geben“, hatte Ende November Martin Schlechter, Hauptgeschäftsführer des Verbands der Metall- und Elektroindustrie des Saarlandes, gesagt und auf die prekäre Lage der Unternehmen verwiesen. „2020 ist ein Krisenjahr mit dem größten Einbruch der Produktion unserer Branche in der Nachkriegszeit.“ Es gehe darum, möglichst viele Unternehmen durch die Krise zu führen und möglichst viele Arbeitsplätze zu sichern.Höhere Löhne verschärften die Probleme.

Beschäftigungssicherung ist auch das Ziel der IG Metall. Lohnverzicht ist aus Sicht Köhlingers aber nicht das richtige Mittel. „Die letzte tabellenwirksame Entgelterhöhung gab es 2018, und trotzdem wollen die Arbeitgeber Tausende Arbeitsplätze abbauen. Nullrunden sichern ganz offensichtlich keine Arbeitsplätze“, folgert der Gewerkschafter. Das Gegenteil ist nach seiner Ansicht richtig. „Wir brauchen zusätzliches Entgeltvolumen, um Beschäftigung sichern zu können.“ Ein Beispiel sind Betriebe, die im Wandel durch Digitalisierung und Klimaschutzauflagen stecken oder Umbrüche etwa bei der Auto-Antriebstechnik zu bewältigen haben. Wenn nicht mehr genug Arbeit da ist, soll Arbeitszeit gesenkt werden können – etwa auf eine Vier-Tage- Woche. Ein Tag in der Woche würde dann für die nötige Qualifizierung der Beschäftigten frei. „Das kann es aber nicht zum Nulltarif geben. Schließlich profitiert auch der Arbeitgeber davon.“

Deshalb fordert die IG Metall einen Teil-Entgeltausgleich. Der sei nicht zuletzt nötig, damit sich die Beschäftigten die Folgen der Arbeitszeitreduzierung überhaupt leisten könnten, sagt Köhlinger. Der Wandel in den Betrieben soll in Zukunftstarifverträgen fixiert werden – mit Vereinbarungen zu Investitionen und Qualifizierung. Köhlinger sieht gerade jetzt in der Corona-Krise das Problem, dass sich so manche Arbeitgeber einem fairen Interessenausgleich sperren.

„Viele Unternehmen nutzen den Rückenwind der Pandemie und der Transformation, um das zu tun, was sie ohnehin beabsichtigt hatten, nämlich Arbeitsplätze aus Profitabilitätsgründen zu verlagern“ – etwa nach Südosteuropa. Das würden die Beschäftigten an den Standorten hier mit Recht als Provokation empfinden. Der IG-Metall-Bezirkschef kündigt Widerstand gegen solche Vorhaben an, wie sie etwa der Autozulieferer Continental plane, der 13 000 Jobs in Deutschland streichen und Standorte schließen will. Auch will Köhlinger der generellen Klage der Arbeitgeber über das Krisenjahr 2020 und die Schlussfolgerungen für die Tarifrunde nicht zustimmen.

Er verweist auf die Zeit davor, in der die Unternehmen exorbitant verdient hätten, und auf die positiven Aussichten für das kommende Jahr. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung rechne bis Ende 2021 mit einer Rückkehr der deutschen Wirtschaft auf das Vorkrisen-Niveau. Gerade die Industrie sei auf Erholungskurs, sagt Köhlinger. Darüber hinaus gebe es auch viele Unternehmen, bei denen die Geschäfte trotz der Pandemie gut liefen und die vier Prozent mehr Lohn stemmen könnten. Angesichts der schwierigen Tarifrunde schließt Köhlinger auch Warnstreiks und andere Aktionen nicht aus, sollte man sich bis zum Ende der Friedenspflicht im März nicht einig werden. Trotz Corona sei einiges möglich. „Arbeitskampf geht auch mit Abstand.“

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