Interviewserie zum Tarifkampf im Stahlwerk Thüringen

35 geht – so wie bei einem der produktivsten Stahlwerke der Welt!

19.12.2022 | „35 geht!“ – das sagen Stahlwerkerinnen und Stahlwerker, die es wissen müssen. Wir tragen Erfahrungen und Argumente aus anderen Bezirken zusammen. Diesmal haben wir mit Frank Zehe (Betriebsratsvorsitzender Badische Stahlwerke GmbH) gesprochen, der gerade das Stahlwerk Thüringen zu einem Informationsaustausch besucht hat.

Wie war der Eindruck? 
Für mich war es der erste Besuch im Stahlwerk Thüringen seit mehr als fünf Jahren. Der Austausch war klasse. Erstaunlich ist es, was sich im aktuellen Tarifkonflikt beim Thema Arbeitszeit abspielt. Das ist eine wilde Mischung aus zusammengewürfelten Behauptungen, die so kaum zusammenpassen.

Was stößt Dir an der Blockadehaltung der Arbeitgeberseite auf?             
Was ich dazu von der SWT-Arbeitgeberseite gelesen habe, lässt mich fragen: Ist das vielleicht Ahnungslosigkeit oder womöglich Angstmache? Was soll die aktuelle Auftragslage eines starken Unternehmens mit dem Thema Angleichung der Arbeitszeit zu tun haben? So ein Unsinn!

Wie wirkt sich die 35-Stunden-Woche auf die Flexibilität aus?    
Die 35-Stunden-Woche ist ein Erfolgsfaktor. Das wissen wir aus jahrzehntelanger Erfahrung: Die 35 haben wir im Stahlwerk seit 1997 und im Walzwerk seit 1998. Unsere Kolleginnen und Kollegen arbeiten – hochflexibel (!) - mit einem Zeitkonto. Das ist meist im Plus und selten im Minus - je nach Auslastung. Wir wissen, und das ist ein Fakt, dass Arbeitszeitverkürzungen die Flexibilität keineswegs negativ beeinflussen. Wer das Gegenteil behauptet, liegt nachweislich falsch!

Wie wirkt sich die hohe Flexibilität mit der 35 auf die Produktivität aus?             
Wir sind – um es eher bescheiden zu sagen - eines der produktivsten Werke in der ganzen Welt! Wir produzieren derzeit mehr als 2 Millionen Tonnen Stahl pro Jahr und können sogar noch mehr. Wir halten Kurs auch in Krisen – Stichwort Corona oder Krieg in der Ukraine – ohne Kurzarbeit! Ich werde richtig sauer, wenn ich wie jetzt hier komische Andeutungen lese.

Und was ist mit Themen wie Wettbewerbsfähigkeit oder Preisdruck?             
Auf unserem Baustahl aus dem Badischen Stahlwerk liegt aufgrund des niedrigen Preissegments ein viel höherer Wettbewerbsdruck. Der hochwertige Stahl aus dem Stahlwerk Thüringen befindet sich im viel höheren Segment. Gerade wegen der hohen Qualität gibt es eine große Nachfrage. Ich wundere mich schon sehr, wenn sich ausgerechnet das Stahlwerk unter Preisdruck setzen möchte - und ausgerechnet seine eigenen Stärken damit runterspielt.

Interview: Horst Martin

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