Urlaubsreisen in ein Risikogebiet

30.06.2020 | Nicht wenige Beschäftigte möchten ihren Urlaub gerne in einem Land verbringen, das als sogenanntes Risikogebiet gilt. In diesem Zusammenhang stellen sich einige arbeitsrechtliche Fragen. Insbesondere deshalb, weil die Reise in ein Risikogebiet die behördliche Anordnung einer Quarantäne nach sich ziehen kann. Häufig gestellte Fragen zu diesem Thema werden nachfolgend beantwortet:

Was ist ein Risikogebiet?

Die Einstufung als Risikogebiet erfolgt nach gemeinsamer Analyse und Entscheidung durch das Bundesministerium für Gesundheit, das Auswärtige Amt und das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat. Entscheidend dafür ist die Zahl der Infizierten pro 100.000 Einwohner. Aber auch qualitative Gesichtspunkte, wie Testkapazitäten, durchgeführte Tests pro Einwohner, Hygienebestimmungen etc. fließen in die Entscheidung ein.

Werde ich nach der Rückkehr aus einem Risikogebiet unter Quarantäne gestellt?

Das richtet sich nach den maßgeblichen Regelungen in den Bundesländern.

Vielfach ergibt sich aus ihnen, dass Personen, die aus einem Risikogebiet in die Bundesrepublik Deutschland einreisen, einer häuslichen Quarantäne von bis zu 14 Tagen unterworfen werden.

Die maßgeblichen Regelungen sehen jedoch auch Ausnahmen von der Quarantäne vor, insbesondere bei Vorliegen eines negativen Testergebnisses. Beispielsweise sind nach § 2 Abs. 1 der Bayerischen Einreisequarantäneverordnung vom 15. Juni 2020 Personen nicht von der Pflicht zur häuslichen Quarantäne erfasst, wenn sie bei der Einreise über ein ärztliches Zeugnis in deutscher oder englischer Sprache verfügen, welches bestätigt, dass keine Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 vorhanden sind, und dieses der zuständigen Kreisverwaltung auf Verlangen unverzüglich vorlegen. Das ärztliche Zeugnis muss sich auf eine molekularbiologische Testung auf das Vorliegen einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 stützen, die in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem sonstigen Staat, den das RKI in eine Liste von Staaten mit hierfür ausreichenden Qualitätsstandard aufgenommen hat, durchgeführt und höchstens 48 Stunden vor der Einreise nach Deutschland vorgenommen worden ist. Liegt zum Zeitpunkt der Einreise noch kein entsprechendes ärztliches Zeugnis vor, wird aber der zuständigen Kreisverwaltungsbehörde innerhalb von 14 Tagen nach der Einreise ein entsprechendes ärztliches Zeugnis vorgelegt, endet die Verpflichtung zur Quarantäne.

Die Ausnahmeregeln sind allerdings in den Bundesländern nicht einheitlich gestaltet. Es empfiehlt sich, sich über die einschlägigen Verordnungen und Allgemeinverfügungen zu informieren. Über den folgenden Link lassen sich die jeweiligen Regelungen suchen:   

https://www.bundesregierung.de/breg-de/themen/coronavirus/corona-bun-deslaender-1745198

Mein Arbeitgeber droht mit einer Abmahnung, wenn ich nach meinem Urlaub in einem Risikogebiet unter Quarantäne gestellt werde. Zu Recht?

Eine Abmahnung setzt voraus, dass eine Pflicht aus dem Arbeitsvertrag verletzt wurde. Dem Arbeitnehmer könnte der Vorwurf gemacht werden, dass er die vertragliche Nebenpflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitgebers verletzt, wenn er durch seine Urlaubsgestaltung die Ursache dafür legt, dass er auch nach dem Urlaub daran gehindert ist, seine Arbeitsleistung zu erbringen. Die Frage ist, wie weit solche Rücksichtnahmepflichten gehen. Das kann letztlich nur unter Abwägung auch der Interessen des Arbeitnehmers im jeweiligen Einzelfall beurteilt werden. Welche Maßstäbe die Arbeitsgerichte in dieser speziellen Gemengelage anlegen werden, ist unklar. Entscheidungen dazu gibt es bislang, soweit ersichtlich, nicht. Jedenfalls dann, wenn der Arbeitnehmer während seines gesamten Urlaubs im Risikogebiet die empfohlenen Verhaltensregeln zur Minimierung des Infektionsrisikos einhält, kann ihm eine Verletzung von Rücksichtnahmepflichten aus dem Arbeitsverhältnis nach richtiger Auffassung nicht vorgeworfen werden.

Muss mein Arbeitgeber mich bezahlen, wenn ich unter Quarantäne stehe?

Solange der Arbeitnehmer trotz der Quarantäne seine arbeitsvertraglichen Pflichten erfüllt oder dies zumindest ordnungsgemäß anbietet, behält er auch den Anspruch auf sein Entgelt. Wer seine Arbeit ohnehin im Homeoffice erbringt, dürfte damit also keine Probleme haben.

Für Viele wird das aber so nicht der Fall sein.

Muss mein Arbeitgeber mich bezahlen, wenn ich unter Quarantäne stehe – und Homeoffice keine Option ist?

Das BGB enthält mit § 616 eine Regelung, die theoretisch auch im Fall einer Quarantäne mit Arbeitsausfall den Entgeltanspruch des Beschäftigten gegen seinen Arbeitgeber sichern könnte. Praktisch sieht es allerdings so aus, dass für viele Arbeitsverhältnisse diese Regelung abbedungen ist. Beispielsweise enthalten Tarifverträge häufig Regelungen zu Fallkonstellationen, in denen der Arbeitgeber das Entgelt bei persönlicher Verhinderung des Arbeitnehmers weiterzahlen muss. Diese Regelungen können abschließend sein oder auch nicht, d.h. es kommt entscheidend auf die Auslegung des Tarifvertrags an.

Aber auch davon abgesehen ist der Anspruch nicht ganz unproblematisch. § 616 BGB sichert den Entgeltanspruch nämlich nur für eine „verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit“. Ob damit auch 14 Tage einer Quarantäne abgedeckt werden können, wird von Juristen unterschiedlich beurteilt. Sollte diese Zeitspanne von den Gerichten als zu lang bewertet werden, entfällt der Anspruch insgesamt.

Die Arbeitsverhinderung darf zudem nicht vom Arbeitnehmer verschuldet sein. Die Arbeitsverhinderung infolge einer absehbaren Quarantäne nach Rückkehr aus einem Auslandsurlaub in einem Risikogebiet wird vielfach pauschal als vom Arbeitnehmer verschuldet dargestellt, so dass der Anspruch aus § 616 BGB entfallen soll.

Richtigerweise lässt sich so eine pauschale Antwort nicht geben. Es entscheiden die Umstände im Einzelfall. Insbesondere wenn der Arbeitnehmer während des Urlaubs alle empfohlenen Verhaltensmaßregeln eingehalten hat, sollte kein Verschulden vorliegen.

Jedenfalls aber wird der Anspruch aus § 616 BGB in vielen Fällen grundsätzlich nicht greifen und ist im Übrigen mit erheblichen rechtlichen Unwägbarkeiten behaftet.

Bestehen keine anderen speziellen Vereinbarungen dazu, dass der Beschäftigte auch während der Quarantäne vergütet wird, kommt in Betracht, dass der Arbeitnehmer die Entschädigung des Verdienstausfalls nach dem Infektionsschutzgesetz beanspruchen kann (s.u.).

Was ist, wenn ich mich im Urlaub tatsächlich anstecke?

Arbeitnehmer, bei denen die Krankheit Covid-19 festgestellt wird, sind arbeitsunfähig erkrankt und zwar ungeachtet dessen, wie sehr sie durch die Krankheit beeinträchtigt werden. Auch fast beschwerdefreie Krankheitsverläufe begründen schon wegen der Gefahr der Ansteckung anderer Personen eine Arbeitsunfähigkeit. Nach einer anderen Auffassung soll krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit allerdings voraussetzen, dass die Krankheit den Betroffenen an der Verrichtung seiner Arbeit hindert. Wer also arbeiten kann, dabei allerdings andere anstecken könnte, wäre nach dieser Sichtweise nicht arbeitsunfähig erkrankt – auch in diesem Fall würde allerdings typischerweise eine Quarantäne angeordnet werden, so dass eine Ausübung der beruflichen Tätigkeit über diesen Weg ausgeschlossen wäre. Ist der Arbeitnehmer arbeitsunfähig erkrankt, ist er auch nicht verpflichtet zu arbeiten.

Für die Dauer der ärztlich festgestellten krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Entgeltfortzahlung für die Dauer von bis zu sechs Wochen gegen den Arbeitgeber. Das gilt auch dann, wenn der Arbeitnehmer – wie zu erwarten ist – für diese Zeit unter Quarantäne gestellt wird. Der Anspruch auf Entgeltfortzahlung setzt allerdings voraus, dass der Arbeitnehmer seine Erkrankung nicht selbst verschuldet hat. Vereinzelt wird die Meinung vertreten, durch den Aufenthalt in einem Risiko-gebiet hätte der Arbeitnehmer seine Erkrankung verschuldet, so dass er auch keine Entgeltfortzahlung vom Arbeitgeber verlangen kann.

Verschulden in diesem Sinne bedeutet nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts allerdings, dass der Arbeitnehmer ein besonders leichtfertiges oder gar vorsätzliches Verhalten an den Tag gelegt hat.

Entscheidend sind auch hier stets die Umstände des Einzelfalls. Allgemein ist unsere Bewertung aber die, dass dann, wenn der Arbeitnehmer während seines Urlaubs im Risikogebiet die empfohlenen Verhaltensregeln zur Minimierung des Infektionsrisikos einhält, von einem besonders leichtfertigen Verhalten nicht die Rede sein kann.

Habe ich Anspruch auf Entschädigung, wenn ich durch die Quarantäne nach dem Urlaub einen Verdienstausfall habe?

Das Infektionsschutzgesetz bestimmt, dass Arbeitnehmer Anspruch auf eine Entschädigung haben, wenn sie durch die behördlich angeordnete Quarantäne einen Verdienstausfall erleiden.

Der Anspruch ist allerdings ausgeschlossen, wenn die Quarantäne durch eine Maßnahme der spezifischen Prophylaxe, die gesetzlich vorgeschrieben ist oder öffentlich empfohlen wird, hätte vermieden werden können.

Teilweise wird argumentiert, das Unterlassen einer Urlaubsreise in ein ausländisches Risikogebiet sei eine solche „Maßnahme der spezifischen Prophylaxe“. Wer entgegen der Reisewarnung dorthin reise, verliere den Entschädigungsanspruch.

Diese Sichtweise ist schwerlich nachvollziehbar. Denn die typische Maßnahme der spezifischen Prophylaxe, die in § 2 Ziff. 10 IfSG näher definiert wird, ist die Impfung, die jedoch für die Krankheit Covid-19 bislang nicht existiert. Mit anderen „Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe“ dürften vergleichbare Maßnahmen gemeint sein, wie vorsorgliche medikamentöse Behandlungen (bspw. Malariaprophylaxe), die in Bezug auf Covid-19 aber ebenfalls nicht existieren. Allgemeine Verhaltensempfehlungen, wie etwa der Rat, von Reisen in Risikogebiete Abstand zu nehmen, wird man aber richtigerweise nicht als spezifische Maßnahmen zur Prophylaxe begreifen können.

Der Anspruch auf Entschädigung ist demnach nach richtiger Sichtweise auch bei einer Quarantäne im Anschluss an eine Urlaubsreise in ein Risikogebiet nicht ausgeschlossen.

Hat mein Arbeitgeber ein Recht zu erfahren, wo ich meinen Urlaub verbringe bzw. verbracht habe?

Nein. Der Arbeitgeber hat kein berechtigtes Interesse daran zu erfahren, in welchem Ort bzw. Land der Arbeitnehmer seinen Urlaub verbracht hat.

Insbesondere ist die teilweise vertretene Auffassung, dass der Arbeitgeber allgemein danach fragen darf, ob der Arbeitnehmer in ein Land reist bzw. in einem Land gewesen ist, das als Risikogebiet ausgewiesen ist, abzulehnen.

Denn die Tatsache, dass ein Arbeitnehmer in einem Risikogebiet gewesen ist, begründet allein weder, dass er zwangsläufig einer Quarantäne unterliegt, noch, dass er sehr wahrscheinlich ansteckend ist und er daher nicht beschäftigt werden muss.

Eine zu einer Mitteilungspflicht gesteigerte Nebenpflicht und demzufolge auch ein Fragerecht dürfte nur in solchen Betrieben bestehen, in denen eine potenzielle Infektion besonders gravierende Auswirkungen hätte, wie z.B. in Altenpflegeeinrichtungen oder in Krankenhäusern. Die von der IG Metall betreuten Betriebe gehören in aller Regel nicht zu solchen sensiblen Branchen.

Darf mein Arbeitgeber meine Beschäftigung verweigern, wenn ich aus einem Risikogebiet zurückkehre?

Zunächst ist festzuhalten, dass Beschäftigte, die unter Quarantäne stehen, ihre Arbeitsleistung nicht ordnungsgemäß anbieten können, wenn sie nicht im Homeoffice arbeiten können. Der Arbeitgeber ist daher auch nicht verpflichtet, die Arbeitsleistung anzunehmen, wenn ein Beschäftigter sich über die Quarantäneanordnung hinwegsetzt und im Betrieb erscheint.

Einige Arbeitnehmer werden jedoch nach einer Urlaubsreise in ein Risikogebiet nicht unter Quarantäne stehen (s.o.). Ob der Arbeitgeber dennoch die Beschäftigung verweigern darf, hängt dann von verschiedenen Fragen ab. In erster Linie ist entscheidend, ob es spezielle Regelungen im Betrieb oder im einzelnen Arbeitsverhältnis dazu gibt.

Existieren dazu keine speziellen Vorschriften, kann der Arbeitgeber die Beschäftigung allenfalls dann verweigern, wenn er greifbare Anhaltspunkte dafür hat, dass von dem Beschäftigten eine Ansteckungsgefahr ausgeht. Das kann zum Beispiel der Fall sein, wenn der Beschäftigte Symptome der Krankheit zeigt.

Darf mein Arbeitgeber meine Beschäftigung nach der Rückkehr aus einem Risikogebiet davon abhängig machen, dass ich mich testen lasse und der Text negativ ausfällt?

Gibt es keine speziellen Regelungen zu dieser Frage, kann der Arbeitgeber einen Test nur verlangen, sofern der Arbeitnehmer Symptome zeigt.

Habe ich Anspruch auf meinen Lohn, wenn mein Arbeitgeber sich weigert mich zu beschäftigen?

Auch hier können spezielle arbeits-, tarifvertragliche oder betriebliche Regelungen greifen.

Ist das nicht der Fall, bleibt der Arbeitgeber zur Zahlung der Vergütung verpflichtet, wenn er die ordnungsgemäß angebotene Arbeitsleistung unberechtigt ablehnt.

Unberechtigt ist die Ablehnung etwa, wenn der Arbeitnehmer ausnahmsweise keiner Quarantäne unterliegt (s.o.) und keine Symptome zeigt.

Was mache ich, wenn ich nach der Rückkehr aus einem Risikogebiet mit meinem Arbeitgeber Probleme bekomme?

Mitglieder der IG Metall können Rechtsschutzleistungen in Anspruch nehmen. Oft kann die örtliche Geschäftsstelle schon „auf dem kleinen Dienstweg“ das Problem aus der Welt schaffen. Dort wo das nicht gelingt, bekommen unsere Mitglieder rechtliche Unterstützung in Gestalt von Beratung aber auch außergerichtlicher und – wenn es sein muss – auch gerichtlicher Vertretung.

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